Haushaltsrede 2022 Fraktion Die GRÜNEN - Liberales Bündnis für Herbolzheim

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Haushaltsrede 2022 Fraktion Die GRÜNEN - Liberales Bündnis für Herbolzheim

3. Februar 2022 um 19:44


Sehr geehrter Herr Bürgermeister Gedemer, liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Bürger*innen und Vertreter*innen der Presse:


die Corona-Krise hat uns nun das zweite Jahr schwer getroffen. Von heute auf morgen war nichts mehr, wie es war. Das öffentliche Leben stoppte abrupt und kein Lebensbereich blieb und bleibt
verschont. Die Corona-Pandemie stellte und stellt uns sowohl als Privatleute als auch als Gemeinderäte bis heute vor große Herausforderungen.
Die meisten Herbolzheimer*innen halten zusammen, zeigen Geduld und Umsicht. Vielen Dank dafür, dass Sie weiterhin durchhalten. In der Pandemie mussten außerdem viele Dinge neu geregelt und nie dagewesene Probleme spontan gelöst werden. Vielen Dank an die städtischen Mitarbeiter*innen aller Ämter, die in diesen unsicheren und außergewöhnlichen Zeitenv außerordentliches geleistet und dafür gesorgt haben, dass die Stadtverwaltung in allen Bereichen stets handlungsfähig blieb.
Vielen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz im Namen der gesamten grün-liberalen Fraktion.


Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Stadt Herbolzheim und führt zu erheblichen Belastungen des städtischen Haushaltes. Und dennoch müssen wir trotz angespannter Haushaltslage weiter investieren, um aktiv die Zukunft unserer Stadt zu gestalten.
Kluge und ausbalancierte Entscheidungen müssen wir treffen und priorisieren, ohne dabei einzelne Bereiche extrem zu vernachlässigen und gegeneinander auszuspielen.

Dies gilt für die großen Projekte der Feuerwehr, aber auch die der Sportstätten und Hallensanierungen/unterhaltungen und viele weitere Infrastrukturvorhaben.

So gravierend die Corona-Krise sein mag, dürfen wir nicht vergessen, dass wir uns zeitgleich in einer anderen schweren Krise befinden, die uns und unsere Zukunft auf diesem Planeten massiv bedroht:
die Klima-Krise.


Nicht ohne Grund hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Klimaschutz ein Grundrecht ist und schlechte Klimapolitik damit verfassungswidrig. Wir sind es den zukünftigen Generationen schuldig, die Klimaerwärmung zu stoppen. Für uns Grüne ist deshalb auch in Bezug auf den Herbolzheimer Haushalt klar:

Klima- und Naturschutz muss im Fokus der kommunalen Bemühungen stehen!


Im Haushaltsentwurf der Verwaltung vermissen wir für den Klima- wie für den Naturschutz ein klares finanzielles Signal! Mit Lippenbekenntnissen, Zukunftsschwüren und Schwerpunktbildung im virtuellen Raum ist es nicht getan. Wir müssen zuerst unsere Hausaufgaben hier in Herbolzheim machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir finden in manchen Ansätzen des städtischen Haushaltsentwurfs viele Ideen wieder, die bereits in den letzten Jahren gemeinsam durch den Gemeinderat entwickelt wurden. Es fehlen jedoch neue Impulse, innovative Ideen und der Mut zu Einsparvorschlägen, um
auch die Generationengerechtigkeit der Haushaltsverantwortung im Blick zu behalten.
Diesen vorberatene Haushaltsentwurf halten wir mit praktisch ausbleibenden Investitionen in Klima-
und Naturschutz für weitgehend kritisch.

Wir sollten stattdessen solide und wirksam in die Zukunft investieren!
Das gemeinsame entschlossene, konsequente und schnelle Handeln in der Corona-Krise ist auch beider Bewältigung der Klimakrise gefragt. Wir müssen Klimaschutz voranbringen, damit Herbolzheim so schnell wie möglich klimaneutral und naturverträglich wird!

Im Januar 2020, also heute vor zwei Jahren, hat es der Herbolzheimer Gemeinderat abgelehnt den Klimanotstand auszurufen. Immerhin wurde auf Initiative der Grünen, die Einstellung eines Klimaschutzmanagers beschlossen. Dafür haben wir uns nun fast drei Jahre stark gemacht! Trotzdem ist seitdem zu wenig passiert. Die einzelnen Maßnahmen eines Klima- und Naturschutz-Aktionsplans müssen schnell und konsequent umgesetzt werden effektiv, sozial ausgewogen und
jederzeit mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen.

Hierzu sollten im Haushalt deutliche Prioritäten gesetzt werden.

Und hier sagen wir ganz deutlich: Ihr Haushaltsplan-Entwurf geht uns nicht weit genug, Herr Bürgermeister! Wir vermissen einen klaren Schwerpunkt auf Klima und Naturschutz. Es fehlt eine
gebündelte Übersicht aller Maßnahmen, die dazu führen, dass Herbolzheim in einem überschaubarem Zeitrahmen 100 Prozent klimaneutral wird. Klima- und Naturschutz ist kein Nice-to-
have, sondern eine Notwendigkeit, und muss deshalb immer und in allen Bereichen mitgedacht werden. Es gibt zwar einige Vorhaben, aber nicht genug Mittel bzw. entsprechendes Personal für die
konkrete Umsetzung wirkungsvoller Maßnahmen.

Einige Beispiele können wir hier liefern:


Wie erwähnt war die Einstellung eines Klimamanagers im Januar 2020 schon gesetzt im Dezember 2021, also fast zwei Jahre danach konnte er sein Amt tatsächlich antreten. Bei ebenfalls neu geschaffenen Stellen für Wirtschaftsförderung oder Tourismus gab es keinen solchen zeitlichen Verzug!


Schon in der letzten Haushaltsrede monierten wir, dass die 2020 eingesetzten Haushaltsmittel (immerhin fast eine halbe Mio. €) nicht abgerufen wurden- übrigens genauso wenig wie 2021 wegen Abstimmungsproblemen mit anderen Behörden. Ich überlasse es Ihrer Phantasie wie es sich verhalten würde, wenn es sich um ein Neubaugebiet, eine Industrieansiedelung o.ä. handeln würde. Für 2022 finden wir im Haushalt der Stadt Herbolzheim gerade mal noch ca. 50 000 € für die Renaturierung der Bleiche von der von Seiten der Verwaltung eher davon ausgegangen wird, dass auch diese nicht zum Abruf kommen werden.


Diverse Fahrzeuge wie auch ein Stromaggregat werden im Haushaltsjahr 2022 neu angeschafft, alle sollen ausschließlich über Diesel- oder Benzinantrieb verfügen ihre Aufgabenstellung ist lediglich auf die Gemarkung Herbolzheim begrenzt also eigentlich
prädestiniert für CO2-neutrale Antriebe mit überschaubaren Reichweiten. Nun, nach unseren Hinweisen, scheint es ein Umdenken, bzw. Umsteuern zu geben, und zwar nachdem während der Beratungen signalisiert wurde, dass fossile Antriebsarten gesetzt
wären.


Finanzielle Anreize, die wir für die Generierung von privater Stromgewinnung vor Ort in den letztjährigen Haushalt beantragt hatten, wurden bisher nicht in eine praktikable Umsetzungsphase überführt. Sie sind schlichtweg nicht weiterverfolgt worden. Trotz
eingestelltem Klimaschutzmanager enthält dieser Haushaltsentwurf keine diesbezüglichen Impulse.
Aktuell hören wir: Sie werden jetzt in dem vor uns liegendem Haushaltsjahr in eine erste Umsetzungsphase kommen wir sind dann mal gespannt!


Wir debattierten im Gemeinderat über kommunale Lichtverschmutzung zu Lasten der hiesigen Insektenwelt, die schon einen 70%igen Rückgang verkraften mussten. Vielfache
Eingaben an die Adresse der städtischen Verantwortlichen, die Dauer der kommunalen Beleuchtung auf das in der Verordnung festgelegte Maß zu begrenzen, laufen ins Leere. Erst
nach einer monatelangen Bedenk - Phase, die sich einige Fraktionen ausbedungen haben, entschließt sich die Verwaltung die Beleuchtungszeiten einzuschränken.

 

Wir müssen jetzt die Weichen für die Zukunft stellen. Wir wollen einen Haushalt, in dem Klima- und Naturschutz einen der existentiellen Bedeutung angemessenen Rahmen erhält. Mit den Themen Klimaschutz, Umwelt und Mobilität und mit der neu geschaffenen Stelle des Klimamanagers kann künftig Klima- und Umweltschutz wirksamer und konsequenter in Herbolzheim umgesetzt werden. Aber dafür braucht der Träger dieses Amtes auch die entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen.

Wir müssen Flächen entsiegeln, wir sollten für echte Stadtbegrünung sorgen, die das Mikroklima in der Stadt verbessert, (siehe auch unsere weiterhin bestehenden Anträge von vor einem Jahr). Für große Bauvorhaben, wie für städtische Immobilien soll in Zukunft eine Klimabilanz erstellt werden und wir wollen mit Hilfe des Klimamanagers ein Konzept für die Förderung privater Initiativen für Gebäudeoptimierung und Energieeinsparungen in Herbolzheim vorantreiben. Ansteigend verpflichtet sich das Land, bis zum Jahr 2030 insgesamt mindestens 15 Prozent Offenland der Landesfläche als funktionale Biotopverbundfläche zu entwickeln. Wir müssen mit gezielten Maßnahmen, Naturschutzmaßnahmen durch Bodenerwerb oder mind. ökologische Nutzungsoptionen ermöglichen können.
Für die Umsetzung erstellen die Gemeinden für ihr Gebiet auf Grundlage des Fachplans Landesweiter Biotopverbund einschließlich des Generalwildwegeplans Biotopverbundpläne oder
passen die Landschafts- oder Grünordnungspläne an (§ 22 Naturschutzgesetz).
Hier sehen wir noch keine ausreichenden Bemühungen unserer Gemeinde, dieser gesetzlichen Vorgabe zu entsprechen.

Die Energiewende ist ein wichtiger Schlüssel zu erfolgreichem Klimaschutz. Um die Klimakrise aufzuhalten, müssen wir unsere energiebedingten CO2-Emissionen deutlich reduzieren und dafür unsere Energieversorgung erneuerbar gestalten. Ein großes Potenzial an erneuerbaren Energiequellen hat in Herbolzheim sowohl die Solar- wie auch die Windenergie: Viele, auch kommunale Dächer, sind solarfrei - das muss und darf nicht so bleiben! Hackschnitzel-Wärmeerzeugung könnte mit Solarsystemen ergänzt werden. Aktuell gibt es Bestrebungen Anlagen zur Gewinnung von Windenergie auf der Gemarkung Herbolzheim zu errichten dem Stehen wir grundsätzlich positiv gegenüber!

Wie sehen die drängendsten Herausforderungen für die Zukunft aus:
Die Bildungsausgaben steigen seit Jahren, dies ist gut angelegtes Geld - es ist eine Investition in die Zukunft. Umso besser, wenn dies mit einer tollen CO2-Bilanz passiert, wie im KiGa Fliederweg.
Auch unseren Bemühungen bei Bauträger und Gemeinderat ist es zu verdanken das die Gebäudekonstruktion weitgehend aus Holz hergestellt wurde. Dafür möchten wir uns bei allen an der Entscheidung Beteiligten im Gemeinderat, der Verwaltung und beim Bauträger bedanken. Ein Leuchtturmprojekt möchte man fast sagen leider ein recht einsamer Leuchtturm.

In der Weise wie wir Bildungsausgaben im Konsens der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen im Haushalt abbilden, scheint dies mit dem Klima- und Naturschutz nicht oder kaum zu funktionieren.
Stattdessen: Herbolzheim entnimmt weiterhin der Natur Fläche zur Versiegelung (Herrengüter 3
West, Industriegebiet Nord usw.).
Was gibt oder investiert Herbolzheim dafür in und an der Natur?

Das Bundesverfassungsgericht hat am 29. April 2021 in einem bemerkenswerten Urteil festgestellt, dass die Klimakrise die Zukunft und die Freiheit der jungen Generation gefährdet und der Staat, d.h. der Bund, das Land und die Kommunen deshalb dazu verpflichtet sind, dies innerhalb der Möglichkeiten mit klar definierten Schritten abzuwenden. Freiheit wurde bisher oft gegen den Klimaschutz ins Feld geführt für freie Fahrt auf Autobahnen und unlimitierten Konsum, priorisieren von Infrastruktur vor Natur- und Klimaschutz. Das Bundesverfassungsgericht definiert Freiheit nun ganz anders. Es scheint uns nach den zurückliegenden kommunalen Erfahrungen, ein Verweigern von Zukunftskosten und Freiheitsoptionen vorzuliegen.


Wir tun uns deshalb schwer, einen Haushalt mitzutragen, der kaum Kosten oder Maßnahmen für den Natur- und Umweltschutz beinhaltet.
In Anbetracht der Aufgaben, die wir in diesem Haushalt aufs Gleis bringen, werden wir für dieses Jahr noch einmal (mit großen Bauchschmerzen) zustimmen. Wir kündigen hiermit aber ganz entschieden an, dieses schlichtweg nicht mehr verantworten zu können, wenn die haushaltswirksame Nichtberücksichtigung von Natur- und Umweltbelangen die Zukunft folgender Generationen belastet oder fast unmöglich erscheinen lässt.
Die Zeit auf eine bessere Haushaltslage, auf eine Verminderung der Projekte die den Stadtsäckel belasten oder schlicht auf ein Wunder zu warten, haben wir nicht mehr!

Dieter Böcherer
Fraktionssprecher

Bernd Bühler Jürgen Geiger Thomas Groß Reinhold Hämmerle Phillip Weingardt

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